Der Flötist Uri Töplitz wurde in den frühen zwanziger Jahren in Bonn von einem der ersten Schulmusikpädagogen der Kestenberg-Reform unterrichtet. Der Wechsel vom Gesangsunterricht alter Schule zum reformierten Musikunterricht war für Töplitz ein wahrer Glücksfall. So ging sein musikalisches Talent nicht verloren, wie bei den vielen, die damals das Prädikat "unmusikalisch" erhielten, weil sie - wie Töplitz - keine zum Gesang geeignete Stimme besaßen. Im Gegenteil: Seine Musikalität wurde entdeckt und gefördert.
Töplitz war von seinem Musiklehrer, Wilhelm Haas, so begeistert, daß er sich genau wie er in Köln zum Schulmusikpädagogen ausbilden lassen wollte. Allerdings wurde er, obwohl er die Aufnahmeprüfung mit guten Leistungen bestand, nicht zum Studium zugelassen. Enttäuscht schrieb er einen Brief an Kestenberg, in dem er ihn um Unterstützung bat. Noch im Jahre 1932, kurz vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, war dessen Einfluß so groß, daß es ihm gelang, Töplitz` Zulassung zum Studium durchzusetzen. Bereits 1934 war Toeplitz der letzte jüdische Student des Schulmusikstudiengangs.
1936 wurde Toeplitz als Flötist in Palestine Orchestra berufen und emigrierte nach Tel Aviv. Bald darauf wählte man ihn in den Orchestervorstand. Zwei Jahre später, 1938, erhielt Kestenberg eine Berufung zum Generalmanager und künstlerischen Leiter des Orchesters und immigrierte ebenfalls nach Tel Aviv.
Fortan stand Töplitz als Mitglied des Orchestervorstands in regelmäßigem Kontakt mit Kestenberg. Als die Publikumszahlen zurückgingen und Zuschüsse aus dem Ausland ausblieben, gab man Kestenberg die Schuld daran. Schon bald gab es Schwierigkeiten mit meuternden Orchestermitgliedern, die von ihrem geringen Stundenlohn nicht leben konnten. Töplitz erinnert sich mit Bedauern an diese für Kestenberg schwierige Zeit, die im Jahre 1945 mit dessen freiwilligem Rücktritt endete.
Literaturhinweise:
Uri Töplitz, Und Worte reichen nicht. Von der Mathematik in Deutschland zur Musik in Israel. Eine jüdische Familiengeschichte 1812-1998, hg. Erhard Roy Wiehn. Konstanz:Hartung-Gorre Verlag.1999.
Ders., The History of the Israel Philharmonic Orchestra. Researched and Remembered by Uri Toeplitz, Tel Aviv 1992 (hebr.)
Barbara von der Lühe, die Emigration deutschsprachiger Musikschaffender in das britische Mandatsgebiet Palästina. Frankfurt a.M., Berlin u.a. 1999.
1913 | geboren in Göttingen, Sohn des bekannten Mathematikers, Otto Toeplitz. Er verbringt den größten Teil seiner Kindheit in Kiel, wo der Vater an der Universität lehrt. Seit 1925 erhält er Flötenunterricht vom ersten Flötisten des Kieler Orchesters. |
1928 | Umzug der Familie nach Bonn, wo Toeplitz in der Schule von einem der ersten Schulmusikpädagogen nach der Kestenberg-Reform, Wilhelm Haas, unterrichtet wird. Statt der Flötenstunden, wird er nun von Haas auf das Schulmusik-Studium vorbereitet. |
1931 | Nach dem Abitur in Bonn, Aufnahme eines Studiums der Mathematik und Musikwissenschaften in Berlin. Toeplitz ist ein begeisterter Besucher der Kroll-Oper in Berlin. |
1932 | Aufnahmeprüfung und Aufnahme des Studiums der Schulmusik in Köln. Gleichzeitiger Beginn eines Mathematikstudiums in Bonn. |
1933 | Die Bonner Hochschule und die Kölner Musikhochschule werden "arisiert". Toeplitz verliert seinen Studienplatz für Mathematik. Sein Schulmusik-Studium wird unterbrochen. Er kann dies jedoch, nurmehr "geduldet", weiterführen. Im gleichen Jahr schließt sich Toeplitz dem "Hechaluz" an, der seit 1933 größten zionistischen Organisation der jüdischen Jugend. |
seit 1934 | Neben dem Schulmusikstudium führt Toeplitz sein Flötenstudium bei Privatlehrern weiter. Zur Vorbereitung seiner Emigration nach Palästina, konzentriert er sich mehr und mehr auf sein Instrument und schon bald wird er erster Flötist im Orchester des Jüdischen Kulturbundes Rhein-Main in Frankfurt. |
1935 | Aufgabe des Schulmusik-Studiums. |
1936 | Toeplitz wird in das Palestine Orchestra berufen und erhält das Einwanderungszertifikat, die Erlaubnis nach Palästina zu emigrieren. Über 30 Jahre gehört er dem seit 1948 "Israel Philharmonic Orchestra" (IPO) genannten Orchester an. Er ist die meiste Zeit Mitglied des Orchestervorstandes und wirkt bei der Programmgestaltung mit. |
1970 | Toeplitz läßt sich wegen Unstimmigkeiten mit dem Chefdirigenten des IPO, Zubin Mehta, vorzeitig pensionieren. Er nimmt ein Studium der Musikwissenschaften in Tel Aviv auf, schreibt seine Magisterarbeit über den Einfluß Bruckners auf Mahlers Sinfonien und promoviert bei Eric Werner über "Die Holzbläser in der Musik Mozarts". Er ist einer der Gründer der Jeunesse Musicale Israel (JM Israel) und übernimmt von 1972-74 das Management des JM World Orchestra. |
1992 | Veröffentlichung seiner "Erinnerungen an das Israel Philharmonic Orchestra" in hebräischer Sprache. Als Solist und Kammermusiker ist er an vielen Uraufführungen von Werken israelischer Komponisten beteiligt. |
2007 | Toeplitz stirbt im hohen Alter von 94 Jahren. |