Ricci Horenstein fand in Leo Kestenberg einen Lehrer, der sie in seiner Klavierstunde und darüber hinaus als angehende Pianistin und Klavierpädagogin förderte. Sie wurde von ihm bis zu 5 mal wöchentlich unterrichtet, ohne daß er ein Honorar verlangte.
Überdies gab sie als Kestenberg-Schülerin zahlreiche öffentliche Konzerte, zu denen Kestenberg selbst die Einführungsvorträge hielt, und erteilte seine jüngsten Schülern Klavierunterricht.
Kestenberg ging in seinen Stunden am Klavier stets auch über die Musik hinaus und eröffnete ihr durch Einführungen in die Philosophie, die Literatur und die Bildende Kunst neu Horizonte. Für Ricci, die voller ehrgeiziger pianistischer Absichten, aber auch voller offener Fragen war, wurden diese Klavierstunden zu einem inspirierenden Abenteuer. Ebenso inspirierend mögen sie für Leo Kestenberg gewesen sein. Jedenfalls widmete er die erste Version seines Lehrgedichtes "Meine Klavierstunde" an Ricci Horenstein.
Heute lebt Ricci in London und genießt als Klavierpädagogin ein internationales Renomée. In ihrem Interview faßt sie ihre Studienjahre mit Kestenberg auf temperamentvolle und pointierte Art und Weise zusammen.
1937 |
Geboren in Wien, wo sie ihre Kindheit verbringt und mit fünf Jahren ihre ersten Klavierstunden erhält. Sie überlebt den Krieg dank einer Klassenreise nach Rumänien im Sommer 1937, von der sie nie wieder nach Wien zurückkehrt. Nach Jahren des unfreiwilligen Vagabundierens in Rumänien wandert sie per Schiff, Viehwaggon und Bus über die Türkei nach Palästina aus. |
1941 |
Ankunft in Palästina |
ca. 1945-50 |
Privater Klavierunterricht bei Leo Kestenberg. Bereits nach einem Jahr beginnt Sie in seiner Gegenwart, öffentlich zu konzertieren, u.a. in Radio Jerusalem. Ebenfalls beginnt sie, unter Kestenbergs Supervision ersten Klavierunterricht zu erteilen. |
1951 |
Sie geht nach Paris, um dort bei Lazar Levy an der Ecole Normale de la Musique Klavier zu studieren und sich bei Henriette Goldenbaum zur Musiktherapeutin ausbilden zu lassen. Privat studiert sie bei M. Montaeigue, einem Spezialisten für neuromuskuläre Probleme in der Aufführungspraxis. Sie kehrt nach Tel Aviv zurück und setzt ihr Klavierstudium bei Yahli Wagmann fort. |
1961 |
Geht sie nach London, wo sie eine Filmschule besucht und ihren ersten Dokumentarfilm dreht. Bald darauf gründet sie in Spanien eine eigene Filmproduktions-Firma. Sie kehrt nach London zurück, wo sie die Guildhall School of Music and Drama besucht und das Klavierspiel wieder aufnimmt. Sie beginnt zu unterrichten, gründet das Piano-Bläser-Ensemble Ricordell und gibt zahlreiche Konzerte. Als Klavierpädagogin begreift sie sich als Fortführerin der Klavierpädagogik Kestenbergs, die sie auf der Basis neuer Erkenntnisse und Techniken weiterentwickelt. Sie erteilt Privatunterricht und wird immer wieder zu internationalen Workshops und Meisterklassen, Interviews und Vorträgen eingeladen, u.a. in die Schweiz und nach Canada. |